Erinnern Sie sich noch an Forrest Gump? Wie er auf der Parkbank sitzt und aus seinem Leben erzählt? “Meine Mama hat immer gesagt, das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man kriegt.“
Wie eine Schachtel Pralinen
Tja, und genauso ist es auch bei Hempels in Norderstedt. Wer dort hineingeht, weiß nie, mit was er wieder herauskommt. Wenn Sie also mal dringend eine Praline in Ihrem Leben brauchen, dann sollten Sie unbedingt dort nach ihr suchen.
Hempels ist – man kann es nicht anders sagen – Einkaufen der besonderen Art. Es macht Spaß und hinterlässt beim Geld ausgeben auch noch ein gutes Gefühl. Weil Idee, Konzept und Umsetzung und die Behandlung der Mitarbeiter so bestechend einfach und so bestechend gut sind, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.
Nachhaltigkeit trotz Sperrmüll
Vielleicht kurz der Reihe nach: 2011 hatten sich das Betriebsamt und die Politik der Stadt Norderstedt überlegt, wie man die wachsenden Sperrmüllberge mit Nachhaltigkeit und sozialen Aspekten vereinbaren könnte. Ein Sozialkaufhaus gab’s in der Vergangenheit schon. Wie wäre es also mit einem Gebrauchtwarenhaus für jedermann?
„Anfang April 2012 schaltete das Betriebsamt eine kleine Anzeige mit dem Wortlaut ‚Die Stadt Norderstedt eröffnet ein Gebrauchtwarenhaus’“, sagt der heutige Hempels-Betriebsleiter André Klinger. „Nur zwei Monate im Juni später war die Hütte so voll, dass wir den Verkauf aufmachen mussten, weil wir sonst erstickt wären in all den Sachen.“
Die Lösung: ein Gebrauchtwarenhaus
Und so baute André Klinger praktisch aus dem Nichts mit nur zwei Handvoll städtischer Mitarbeiter ein komplettes Kaufhaus auf, weil die Norderstedter es so sehr wollten. „Die Ideengeber (eine Kollegin und ein Kollege als ‚Projektteam‘ aus dem Betriebsamt der Stadt Norderstedt) hatten nur ein altes Industriegebäude angemietet“, sagt er. „Es gab keine Präsentationsfläche, kein fertiges Warenwirtschaftssystem, keine Einzelhandels- und Möbelexperten. Nur eine Halle voller Regale mit Schwerlastböden.“
Einzigartiges Konzept
Was als Projekt für zwei Jahre angelegt war, ist heute eine Erfolgsgeschichte und als Konzept einzigartig in Deutschland. 19 Mitarbeiter beschäftigt Hempels jetzt. Und alle sind fest und ordentlich angestellt bei der Stadt. Zusätzlich sind auch – und darauf ist André Klinger besonders stolz – sechs Beschäftigte aus verschiedenen Behindertenwerkstätten aus Norderstedt und dem Umkreis auf sogenannten Außenarbeitsplätzen bei Hempels dabei. „Wir leben Inklusion. Und können zeigen, dass und wie gut es funktioniert.“ Und es funktioniere vor allem deswegen, weil nicht auf die Aufgabe, sondern auf den Menschen geschaut werde. „Wir schauen, wer welche Fähigkeiten mitbringt und setzen ihn entsprechend ein, fördern und fordern und passen uns an und nicht umgekehrt“, sagt André Klinger. Und damit das gut klappt, hat Hempels eine sonderpädagogische Fachkraft und eine Arbeitsanleiterin im Team, die die Umsetzung fachkundig begleiten und unterstützen.
Experten sichten vor Ort
Und wie kommt Hempels an seine Waren? „Durch freundliche und großzügige Menschen, die bestimmte Dinge nicht mehr brauchen“, sagt André Klinger. Wer zum Beispiel seine alte Ledergarnitur oder andere Möbelstücke abgeben möchte, ruft Hempels an. Das Gebrauchtwarenhaus schickt dann (innerhalb Norderstedt) ein Team und den großen mit dem mintfarbenen Retro-Logo versehenen Lkw los. „Unsere Experten sichten die Möbel vor Ort und entscheiden, ob sie die Dinge mitnehmen – oder eben nicht“, sagt André Klinger. Die Folge ist, dass sich wirklich nur solche Möbel im Bestand befinden, die tatsächlich noch einen Wert haben. Und die eben für viele unterschiedliche Menschen interessant sein können. Wie zum Beispiel für Studenten, die sich ihre Ersteinrichtung zusammenstellen oder nicht nur Großkonzernmöbel, sondern das Besondere wollen. Oder für junge Familien, die eine schöne Wickelkommode und Kinderspielzeug suchen.
Außergewöhnliche Stücke
„Und wir haben auch den einen oder anderen Schatz in unserem Sortiment“, sagt André Klinger. Wie zum Beispiel ein frisch gestimmtes Klavier, eine handgearbeitete Weltuhr aus den 1950er Jahren oder ein massives, geschnitztes Sofa aus der Gründerzeit, das eine Kollegin des Recyclinghofes in letzter Sekunde vor dem Container gerettet und sofort bei Hempels angerufen hat.
„Wir bekommen oft solche Anrufe“, sagt André Klinger. „Und wenn diese dazu beitragen, dass Möbel mit Geschichte einen neuen Besitzer finden, freut uns das sehr.“ Das gelte genauso für Kleidung, Bücher, DVDs, Geschirr oder Bettwäsche. „Wir können allerdings aus Kostengründen unser Team nicht für Kleinstmengen überall hin schicken“, sagt André Klinger bedauernd. „Deswegen haben wir folgende Faustregel aufgestellt: Ab fünf Umzugskartons kommt der Lkw. Und zwar nur im Stadtbereich Norderstedt. Bei kleineren Mengen bitten wir herzlich darum, diese in unserer Annahmestelle bei den Kollegen selbst abzugeben, die für alle Menschen offensteht.“
Ansprechende Warenpräsentation
Dafür, dass die vielen gebrauchten, aber dennoch guten Stücke auch entsprechend zur Geltung kommen, ist seit drei Monaten ein neuer Experte an Bord: Marktleiter Carsten Loock. Der Einzelhandelsfachmann kommt aus der Baumarktbranche und war mehr als zwei Jahrzehnte dort als Führungskraft tätig. Unter seinen fachkundigen Augen hat sich die Warenpräsentation in der großen Halle gerade stark verändert. So hat Carsten Loock zum Beispiel drei zylindrische Glasvitrinen in den Eingangsbereich gestellt und mit Schaufensterpuppen und Designer-Kleidung bestückt. Und statt die vielen tausend Bücher (Stück 1 Euro, Hardcover 2 Euro) einfach nur in Regale zu sortieren, hat er eine gemütliche Leseecke geschaffen, die mit zwei verlockenden Ohrensesseln Lust auf Schmökern macht. Auch der Porzellanbereich ist nun wohl sortiert – die Kristallsachen auf der einen, die Porzellanartikel auf der anderen Seite und alles, was zum Kochen und dem Haushalt dient, steht noch einmal gesondert. „Ich sortiere auch diesen Bereich gerade neu“, sagt Carsten Loock und grinst.
Nachhaltiges Handeln auf hohem Niveau
Und das ist jede Menge Arbeit. Allein 2018 waren 21.000 Menschen bei Hempels in der Annahmestelle, um Dinge, die sie nicht mehr benötigen, abzugeben. Der Lkw rückte hunderte Mal aus. Und 38.000 Bücher fanden neue Besitzer. Der Gesamtumsatz liegt derzeit im fast siebenstelligen Bereich, ganz allein trägt sich das Konzept noch nicht. Was an Lücken bei diesem „nachhaltigen Handeln auf hohem Niveau“ (André Klinger) entsteht, wird über den Norderstedter Abfallgebührenhaushalt gegenfinanziert. „Aber wir bewegen uns langsam aber sicher auf die schwarze Null zu“, sagt André Klinger. „Unser Ziel ist, dass wir auf Dauer dazu beitragen, die Abfallgebühren in der Stadt zu senken.“
„Upcycling“ ist Trend
Also: Wenn Sie wissen wollen, wie Forrest Gump das gemeint hat mit der Pralinenschachtel – dann nichts wie los ab nach Norderstedt. Hempels liegt mitten im Gewerbegebiet unweit des Norderstedter Stadtparks. Parkplätze gibt es genug und viele andere Geschäfte sind gleich nebenan. Die große Verkaufshalle ist beheizt und riecht überaus gut, was bestimmt an der eigenen Indoor-Cafeteria liegt. Und mit ein bisschen Glück platzen Sie mitten in eine der vielen Veranstaltungen von Hempels hinein, auf denen Sie zum Beispiel etwas über den neuen Do-it-yourself-Trend „Upcycling“ und Nachhaltigkeit (Infos auf der Website) erfahren können.
Was Sie bei Hempels kriegen werden, wissen wir nicht. Nur, dass es Sie bestimmt überraschen wird. Auf die nette Art.
Kontakt:
Stadt Norderstedt
Hempels Gebrauchtwarenhaus
Stormarnstraße 34 – 36
Norderstedt
Telefon: 040 / 535 95 800 (Betriebsamt Hotline)
Öffnungszeiten Verkauf:
Mo. bis Fr., 10 bis 18 Uhr
Sa., 10 bis 15 Uhr
Warenannahme:
Mo. bis Do., 9 bis 15.30 Uhr
Fr., 9 bis 12.30 Uhr
Fotos: Birgit Schmidt-Harder
18.03.2019
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