Serie: „Ich probiere es selbst aus.“
Teil 6: Lachyoga mit Maren Seemann
Maren Seemann ist ein Mensch, der höchst ansteckend ist. Im allerbesten Sinne. Wenn die quirlige Blondine zu lachen beginnt, kann man nicht anders als mitzulachen. Herzlich lacht sie, laut und mit dem ganzen Körper. Sie kann nicht anders. „Ich lache einfach gern“, sagt sie und lacht schon wieder.
Maren (48) ist Lachyoga-Leiterin. Voller Überzeugung und mit dem ganzen Herzen. Mehrmals in der Woche gibt sie in verschiedenen Stadtteilen in Hamburgs Osten Kurse im Lachyoga. Eine Stunde lang treffen sich dann verschiedene Menschen, um sich zu bewegen, zu tanzen, zu dehnen und bewusst zu atmen und sich dabei tüchtig mit Vergnügen auszuschütten vor Lachen.
Was genau ist Lachyoga?
Wir sind heute bei einem ihrer Kurse dabei, den sie schon seit zweieinhalb Jahren leitet. Im sogenannten Haus am See, einem Community Center in Hamburg-Rahlstedt, in dem verschiedene soziale Einrichtungen unter einem Dach zusammengefasst sind. Marens Dienstagsgruppe wird im Rahmen eines Mikroprojektes von der Techniker Krankenkasse gefördert und ist für die Teilnehmer kostenlos. Die Gruppe ist so wunderbar und herzlich wie Maren sagt. Alle erlauben uns, für die Reportage mitzulachen, zu fotografieren und dabei zu sein. Vielen Dank dafür!
Aber zuerst haben wir noch ein paar Fragen.
Was genau ist Lachyoga überhaupt?
„Im Jahr 1995 wurde von dem indischen Arzt Dr. Madan Kataria der erste Lachclub ins Leben gerufen“, sagt Maren. „Dr. Kataria hatte sich viel mit der Lachforschung beschäftigt und wusste damals schon um die wohltuende Wirkung des Lachens. Er war auf der Suche nach bezahlbarer Medizin für alle Menschen seines Landes. Und so rief er auf der Straße erste Treffen ins Leben, bei denen die Menschen sich Witze erzählten.“
„Lachen kann initiiert werden.“
Aber Du erzählst jetzt keine Witze, oder?
Maren lacht. „Nein. Madan Kataria überlegte sich gemeinsam mit seiner Frau Madhuri, die Yogalehrerin war, verschiedene Lach-Übungen und ergänzte diese zum einen mit Atemübungen, die auf der Technik der Yoga-Atmung basieren, und zum anderen mit Dehntechniken. Mit Hilfe der Lach-Übungen, also einem künstlichen Lachen wie Hahaha oder Hohoho oder Hihihi, kann das Lachen initiiert werden. Zu Recht, wie die Lachwissenschaft, die sogenannte Gelotologie, inzwischen ergeben hat. Sie hat bewiesen, dass sich ein künstliches oder unechtes Lachen schon positiv auf Körper, Geist und Seele wirken kann.“
„Wir sind glücklich, weil wir lachen.“
Wie das?
„Durch das bewusste Einsetzen eines Hahaha, welches ja auch laut oder zornig klingen darf, versuche ich, ganz gezielt das Positive zu erreichen und das Lachen heraus zu kitzeln. Auch wenn mir das vielleicht nicht gelingt, weil zum Beispiel mein Gefühl wie Ärger oder Wut so stark ist, dass ich nicht ins Lachen umkippen kann. So erreiche ich dennoch, dass ich nicht in meinem Ärger oder der Wut versinke und mich dort vielleicht hineinsteigere. Ich nehme mein Gefühl wahr, lasse es zu und kann es vielleicht sogar loslassen. Und das macht natürlich ganz viel mit mir. Mein Puls kann sich wieder normalisieren, die Atmung kann sich beruhigen und so weiter. Wir Lachyogis haben das Sprichwort: ‚Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind. Wir sind glücklich, weil wir lachen.‘ Also lache künstlich und Du wirst richtig lachen. Auch wenn Dir gar nicht nach Lachen zumute ist. Oder wie Madan Kataria sagt: ‚Fake it until you make it.’“
„Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Und das funktioniert?
„Oh ja. Ich habe eine Teilnehmerin in einem meiner Kurse, die leidet an einem Burnout. Nun lacht sie sich ganz bewusst jeden Tag aus der Depression heraus. Das Lachyoga hat ihr eine neue, positive Haltung beschert. Mir übrigens auch. 2006 erhielt ich die Diagnose Krebs. Um nicht in ein Loch zu fallen, habe ich mich bewusst einem Lachclub angeschlossen. Ich hatte einige Monate zuvor an der Uni Lachyoga kennengelernt. Es waren nur zehn Minuten, aber immer, wenn ich mich an diese zehn Minuten erinnerte, musste ich lächeln und meine Gesichtszüge wurden ganz weich. Diese nachhaltige Wirkung hat mich sehr fasziniert, und als ich nun mit dieser traurigen und angsteinflößenden Diagnose konfrontiert war, fasste ich den Beschluss, Lachyoga zu praktizieren – nach dem Motto: Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Und Du konntest einfach so lachen?
„Nein. Das hat bestimmt ein halbes Jahr gedauert. Mir war ja auch nicht recht nach Lachen zumute. Ich war sehr verletzt und voller Unsicherheit aufgrund der Diagnose. Ich habe das Lachen wieder gelernt. Und musste mich auch überwinden, mich auf das Lachyoga einzulassen. Auch ich habe zuerst künstlich gelacht. Hahaha. Immer wieder. Und dann kam das Lachen zu mir zurück. Beim Lachyoga lachen wir miteinander, wir schauen uns in die Augen und lachen uns ganz offen an. Und das ist ganz schön schwierig, wenn man sich selbst gerade nicht so wohlfühlt. Daher ist es mir in meinen Gruppen sehr wichtig, dass wir uns sehr wertschätzend wahrnehmen, so dass jede Person so sein kann, wie er oder sie gerade ist und alles genau richtig ist, wie es ist.“
Wohlgefühl und Leichtigkeit
Was macht das mit Dir?
„Sehr viel. Wenn ich Hahaha mache, kann ich nichts anderes machen. Nicht denken oder keinen Einkaufszettel in Gedanken schreiben. Die Gefühle bleiben natürlich irgendwie da, aber sie können sich verändern. So habe ich es erlebt, dass ich in Zeiten von tiefer Trauer mit Hilfe des Lachyogas eine Möglichkeit hatte, für einen Moment aus diesem tiefen, traurigen Gefühl auszusteigen und mir das Lachen zu erlauben. Für mich persönlich erlebe ich durch das Lachen, dass das Schöne noch schöner wird und das Traurige, gefühlt Schwere sich etwas leichter anfühlt. Wenn ich lache oder auch nur lächle, tue ich so viel für mich: Es werden zum Beispiel mehr Endorphine (Glückshormone) ausgeschüttet, die Atmung wird tiefer, Stresshormone können abgebaut werden, und regelmäßiges Lachen kann langfristig sogar den Blutdruck und die Herzfrequenz senken. Wenn ich richtig lache, dann lasse ich los. Die Sorgen, die Ängste, einfach all das, was ich in dem Moment gerade mitbringe. Und dann erlebe ich ein Wohlgefühl und eine Leichtigkeit, die herrlich sind und mich durch den ganzen Tag und länger tragen.“
Und das geht auch in der Gruppe?
„Oh ja, da besonders. Wir lachen ja miteinander. Sich anschauen, sich anlächeln, sich anlachen, einfach mal kreativ laut und leise sein und das gemeinsam zu teilen – das birgt so viel Energie und Eigendynamik, dass es jeden in der Gruppe und die Gruppe selbst trägt.“
Fasziniert von der Wirkung des Lachens
Was machst Du, wenn jemand partout nicht lachen will oder kann?
„Dann lasse ich die Person, denn es ist völlig okay, wenn jemand nicht kann oder will. Ich lade die Person ein, es wenigstens mit einem kleinen Hihihi zu versuchen, das künstliche Lachen zuzulassen. Manchmal wird dann doch ein Lächeln draus. Und dann ist es bis zum Kichern gar nicht mehr weit.“
Kann jeder Lachyoga-Leiter werden?
„Ja, sicher.“
Warum bist Du Lachyoga-Leiter geworden?
„Ich lache gern und ich lache gern miteinander. Ich bin fasziniert von der Wirkung des Lachens. Ich bin beim Lachyoga ganz bei mir und bin so wie ich bin, einfach so. Das Lachen mit anderen zu teilen, empfinde ich als großes Geschenk. Madan Kataria hat die Mission: Wer lacht, führt keine Kriege. Das ist doch ein wunderbarer Gedanke, den ich gern in die Welt tragen möchte.“
Blick auf Chancen und Potentiale
Du bist auch Personal Coach (s. u.). Wie hilft Dir das Lachyoga beim Coaching?
„Im Coaching möchte ich, dass die Menschen ihren Blick auf ihre Chancen und Potentiale richten. Ihre Stärken wahrnehmen und damit ihre Lösungskompetenz erweitern. Lachen kann dabei sehr hilfreich sein.“
Okay, höchste Zeit es auszuprobieren.
„Lächeln dürft Ihr schon mal.“
Mit uns sind 13 andere Frauen im Alter von zirka 40 bis 70 Jahre im Raum. Gesehen haben wir uns alle noch nie. Sie plaudern, lachen, begrüßen sich, verteilen sich im Stuhlkreis. Zwischen den Stühlen fliegen bunte Luftballons umher.
Wir sind gespannt. Dass wir hier gleich lauthals lachen sollen, kann ich mir persönlich gerade überhaupt nicht vorstellen.
Maren bittet uns, uns gerade hinzusetzen. „Lächeln dürft ihr schon mal“, sagt sie. „Spürt Eure Füße auf dem Boden. Atmet tief ein uns aus.“
Und dann geht’s los:
„Wir lachen Hohoho. Wir lachen Hahaha. Und nochmal! Hebt die Hände! Hahaha nach oben, Hohoho nach vorne. Zur Seite Hihihi. Ausatmen.“
Und tatsächlich: Was eben noch künstlich geklungen hat, kippt innerhalb von Sekunden in ein perlendes Lachen um, das von Stuhl zu Stuhl hüpft. Man kann gar nicht anders. Wenn die Platznachbarin einen angrient und mit tiefer Stimme das Weihnachtsmannlachen imitiert, muss man einfach zurücklachen. Das Lachen schwillt an, ebbt ab, verlässt das vorgegebene Hohoho und wird frei und ungezwungen.
Verbunden durch das Lachen
„Nun beugt Euch vor“, sagt Maren. „Macht einen runden Rücken. Und wie eine Schildkröte den Kopf herausstreckt, streckt ihr ihn raus und macht ‚Hihihihihi!’“ Maike kichert sich weg, fällt fast vom Stuhl. Ich gleich mit.
Nun trommeln wir auf unsere Brust – „Wie ein Gorilla!“, sagt Maren – und feuern uns an mit „Sehr gut, sehr gut, wunderbar!“
Jede im Raum ruft mit, ballt die Fäuste wie ein Kind, jubelt, frei und ungezwungen. Wir auch. Wir, die wir uns alle eben noch fremd waren, sind jetzt eine eingeschworene Gemeinschaft, verbunden durch das Lachen.
Wir lachen uns an, lachen in unsere Hände, cremen uns mit dem Lachen ein, füllen uns die Hände gedanklich mit Lachwasser, duschen darin und werfen uns gegenseitig Hände voller Gelächter und Fröhlichkeit zu. Was die eine lacht, teilt sie mit der anderen. Wir geben ab, schenken aus und stecken uns gegenseitig immer wieder mit dem Lachen an.
Steckt einfach wieder an
Zwischendurch dreht Maren die Musik auf. 15 erwachsene Frauen tanzen zu dem Kindergarten-Evergreen „Jede Zelle meines Körpers ist glücklich“ durch den Raum oder werfen sich ein Lächeln bei dem Lied „A Wink and a Smile“ zu oder singen einfach statt des Textes mit Hahaha mit und amüsieren sich köstlich miteinander und über sich selbst – völlig außer Atem und mit erhitzten Gesichtern. Aufhören? Keine Chance. Wenn das Lachen abklingen will, steht Maren wie von Zauberhand vor einem und steckt einen einfach wieder an.
„Ist sie nicht umwerfend?“, flüstert mir eine ältere Dame zu, während sie ihr Lachen hinter zerbrechlichen Fingern versteckt. „Ich habe so viel Freude an ihr.“
Und in der Tat – wir auch. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal in nur 60 Minuten so viel gelacht habe.
„Lachen wirkt sofort.“
Am Ende der Stunde gehen die Frauen auseinander. Fröhlicher, gelöster als zuvor. Eine seltsame Verbundenheit geht von ihnen aus. Als hätten sie alle gerade ein großes Geheimnis geteilt.
Ich grinse Maike an. Ihr Gesicht sieht ganz anders aus. Meins auch. Als hätte es sich an eine unbeschwerte Zeit von früher erinnert. Erstaunlich.
„Lachyoga“, sagt Maren und lächelt geheimnisvoll, „ist wie ein Zaubermittel. Es wirkt sofort.“
Ja. Da hat sie Recht. Doch was ist, wenn die Wirkung nachlassen sollte?
„Für diesen Fall habe ich etwas für Euch“, sagt sie und lächelt wieder. Sie gibt uns einen kurzen roten Wollfaden. „Was ist das?“, fragt sie.
Wir wissen es nicht
Maren lacht. Sie nimmt den Faden und hält ihn sich vors Gesicht, so dass er einen Halbkreis bildet.
„Das“, sagt sie, „ist für den einen ein roter Faden und für den anderen ein Lachen to go.“
Dass wir übrigens ab jetzt immer in der Tasche haben.
Danke, Maren.
Weitere Informationen:
Die Diplom-Betriebswirtin Maren Seemann (48) war viele Jahre sowohl in der freien Wirtschaft als auch an der Universität überwiegend zu personalwirtschaftlichen Themen tätig. Heute arbeitet sie als Lachyoga-Leiterin und als Personal Coach. Vor zwölf Jahren erkrankte sie an Krebs. Nur kurze Zeit nach der Diagnose meldete sie sich bei einem von bundesweit 240 Lachclubs an. „Ganz bewusst, weil ich etwas Positives in meinem Leben haben wollte“, sagt sie. Dabei entdeckte sie Lachyoga. Angetan von der Kraft des Lachens ließ sich Maren 2009 zur Lachyoga-Leiterin ausbilden. Seitdem gibt sie Kurse und wendet die Prinzipien des Lachyogas im täglichen Leben und auch im Coaching an. Maren gibt verschiedene Lachyoga-Kurse und möchte mit Hilfe von Lachyoga zeigen, wie viele Situationen im Alltag leichter werden können. So bietet sie offene Kurse, zu dem jede/r kommen kann, welche für Eltern und Kinder oder auch für Personen, die an Krebs erkrankt sind oder unter einer chronischen Erkrankung leiden, an. Demnächst wird sie ihren ersten eigenen Lachclub gründen. Man kann Maren, die die Krankheit heute lange überwunden hat, buchen oder einen ihrer Kurse besuchen. Informationen dazu stehen auf ihrer Homepage.
Wer mehr erfahren möchte:
Vom 29. bis 31.03. findet der 5. Lachyoga-Kongress in Horn-Bad Meinberg (Nordrhein-Westfalen) statt.
https://glyc-germany.com
Lachclubs findet man unter
https://www.lachclub.info
Ein passendes Buch ist: „Lachen ohne Grund“ von Dr. Madan Kataria (Via Nova, 22 Euro)
Lachyoga, Coaching & mehr
Maren Seemann
Ponyweg 2
22159 Hamburg
Mobil: 0174 / 839 25 36
E-Mail: kontakt@lachyoga-lachend-entfalten.de
www.lachyoga-lachend-entfalten.de
Fotos: Birgit Schmidt-Harder, Maike Heggblum
16.12.2018
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